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Das „Ich“ in der Kunst

Es gibt Gelehrte, die behaupten, dass das „Ich“ in der Literatur nicht unbedingt eine Rolle spielt und dass es durchaus möglich sei, sich davon zu distanzieren. Wer sich mit dieser Frage beschäftigt, wird sehr schnell erfahren, dass diese These abenteuerlich ist. Auch wenn ein behandeltes Thema nicht unbedingt etwas mit der Vita des Autors zu tun hat, ist der Stil da, der eine unauflösliche DNA-Spur hinter sich lässt und die kann nicht ausgelöscht werden. Das gilt auch für den Maler, der immer Indizien zerstreut, die zu seiner Identität führen. Und die Kopisten? Das sind Handwerker, die ihren Beruf beherrschen, aber dabei nicht den Ehrgeiz verfolgen, ihr Ego aufzupolieren. Und auch hier kann ein sachkundiger Experte die Differenz ermitteln, was von Menschenhand hergestellt wird, hat immer eine Identität.

Wer ein Werk zu Stande bringt, hinterlässt etwas von sich. Das ist ein seelischer und körperlicher Prozess, der sowohl quälend als auch euphorisierend sein kann, weil er innere Kräfte loslässt. Sie können durchaus Wunden aufreißen, die schon längst geheilt waren und doch kann der Künstler sich nicht zurück halten, aktiv zu sein. Wenn er Gedanken in sich trägt, muss er sie loswerden, tut er das nicht, erkrankt er. Im Gegensatz zu „Otto-Normal-Verbraucher“, wird er sie stilistisch verarbeiten, sie analytisch betrachten, das macht die Kunst aus. Alles was die Zuschauer zu sehen oder zu lesen bekommen, ist das Ergebnis von einem oft schmerzhaften Weg. Es ist das Bündeln von zahlreichen Facetten, die letztendlich zu einer Synthese und zu einer sehr persönlichen Aussage führen. Oft ist diese verschlüsselt, was sie sehr spannend macht und jeder ist frei, sie so zu interpretieren, wie er sich fühlt.

Wer das „Ich“ hervorhebt, gewinnt an Glaubwürdigkeit. Er schenkt dem Betrachter Vertrauen und nimmt ihn an die Hand, egal ob sein Werk gefällt oder nicht. Oft zeichnet sich somit Qualität auf, sie ist ein Dialog, der durchaus kontrovers sein kann. Bedeutet das, dass Kunst ehrlich sein soll? Ja. Dabei braucht keine unbedingte Zustimmung zu entstehen, man kann durchaus etwas verwerfen. Das Schlimmste ist die Neutralität! Viele Künstler gehen diesen Weg, weil sie sich nicht mit der Gesellschaft konfrontieren wollen, sie scheuen die Kritik und glauben, sich somit zu schützen. Ihr „Ich“ verschütten sie mit Bergen von Banalitäten doch auch, wenn jemand als Egomane beschimpft wird, besser so als das Nichts und Eines steht fest: im Vakuum entsteht keine Kunst!

Das „Ich“ kann eine Tortur sein, noch mehr für den Künstler, der seine Seele in seinen Werken öffnet. Es ist eine fast masochistische Art dem Leben zu begegnen – ist das Voyeurismus? Ja! Auch wenn sich viele Schöpfer als introvertiert bezeichnen, liefern sie sich der Öffentlichkeit aus – das ist oft ein Widerspruch mit ihrer inneren Lebenshaltung, aber sie können nicht anders. Ob sie wollen oder nicht, das Private kommt zum Vorschein und auch mit einer großen Verschleierung-Technik, kann das nicht verborgen bleiben. Geheimnisse werden preisgegeben, die in den Intimbereich gehören. Bei der Malerei ist der Strich, die Auswahl der Farben ausschlaggebend, mehr noch als die Motive, egal ob abstrakt oder figürlich! Das Verschleierte ist das Wichtigste, weil es innere Empfindungen erweckt, die nicht immer zu erklären sind. Das ist der Beweis, dass das „Ich“ immer die Oberhand behält.

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