Der Schwanz regiert die Welt, oder?
Der Schwanz regiert die Welt und wenn ein Künstler wie Klaus Stein ihn in seinen Bildern verherrlicht, meint er es ironisch. Es wird zwar sehr viel von Sexualität gesprochen, aber unsere Gesellschaft ist von einer latenten Impotenz geprägt. Das Wunschdenken versucht, die Realität aus den Fugen zu bringen, aber was übrig bleibt, ist ein fahler Nachgeschmack wie nach einer durchgefeierten Nacht. Der üble Geschmack von Fusel, der Kopfschmerz verursacht und der Blick auf nicht mehr ganz so frische Laken, die befleckt sind oder auf eine Trödelmarkt-Liebe, die bereits verflogen ist. Nur Illusionen! Was hier dargestellt wird, ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema Sex aus der Sicht eines Betrachters und bei Klaus Stein ist kein Rotlicht-Ambiente zu verspüren. Der Sex hat bei ihm etwas Technologisches, durch und durch berechnet, etwas Funktionales – und gerade das macht die Sache so spannend. Es ist eine unwiderrufliche Kritik an unserer Gesellschaft, die immer wieder versucht, die Gefühle zu vermarkten. Momentaufnahmen, die den Mensch außen vor lassen und das tut weh! Eisig kühl wie der Penis oder die Vagina, die der Maler verewigt hat, scheint die Welt zu sein und vielleicht die richtige Darstellung der Hölle, in der die Lust erstickt wird und ist das nicht bereits unser Alltag?
Wer vor einem Bild von Klaus Stein steht, sollte sich Zeit lassen. Zuerst kann Widerwillen aufkommen oder Entsetzen, aber dann entdeckt man, dass viel Hintergrund vorhanden ist und darauf kommt es an. Sind es nur die Leistungen die zählen, fragt man sich? Wo ist die Sinnlichkeit hingeraten? Ist es abartig, über Gefühle zu sprechen? Es sind keine Satiren, vielmehr eine Bilanz, die einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt und so steif wie der Penis ist, der vielmehr Hilfslosigkeit als Potenz ausdrückt. Ist das auch die Aussage der Postmoderne? Die Suche nach Idealen, die es nicht mehr gibt? Alles scheint glatt zu verlaufen und oberflächlich zu sein, ist es aber nicht. Man spürt regelrecht in welcher Stimmung Klaus Stein die Menschen oder die Objekte versetzt, alles wird zum Objekt. Kann er neutral sein? Nein, weil der Maler viel zu engagiert ist, um sich in ein Niemandsland versetzen zu lassen. Er kämpft gegen Betonwände, die schnell zu Gummiwänden werden und gegen Willkür und Vorurteile.
Hat die Lust noch einen Bestand oder ist sie endgültig erloschen? Fragen, die nur der Künstler beantworten kann. Aus der Sicht des Betrachters könnte sie von der Bildfläche verschwunden sein. Wer aber mit Klaus Stein zu tun hat, weiß dass es nicht der Fall sein kann, denn er ist viel zu sensibel, um sie einfach ausgeschaltet zu lassen. Seine erotischen Bilder sind ein Manifest gegen die Industrialisierung der Liebe. „Nicht so, meine Damen und Herren“ scheint er uns zu zurufen. Die Darstellung der Genitalien scheint für ihn nur dem Zweck zu dienen, uns die Trostlosigkeit einer Gesellschaft zu zeigen, die nur auf Profit gepolt ist. In seiner Kunst ist keine Poesie zu finden, keine Feinfühligkeit, sie ist plakativ. Wem es nicht passt, der ist verdammt. Klaus Stein zeigt den Sex kompromisslos, ein wenig in der Tradition von Otto Dix, auch er war ein herber Kritiker der damaligen Zeit. Diese Bilder sind ein Manifest gegen die Gleichgültigkeit, aber können die Leute heute wirklich noch provoziert werden? Es gibt schon viel Kritik, aber oft versteckt mit der Hand vor dem Mund und das macht Klaus Stein sicher nicht, denn er schwimmt unerschrocken gegen den Strom. Und das mit Erfolg!
tool4spirit, 2014